Menschengeschichten,
an die es zu erinnern gilt,
haben wir am Jüdischen Friedhof in Innsbruck kennengelernt. Etwa jene von Wilhelm Dannhauser, der ab 1872 als Gemeinderat die Entwicklung der Stadt Innsbruck maßgeblich förderte. 24 Jahre später wird er gezwungen auf eine weitere Kandidatur zu verzichten. Er würde bei einem neuerlichen Einzug in den Gemeinderat Ehrenbürger der Stadt Innsbruck werden. Das wissen etliche antisemitisch eingestellte Politiker zu verhindern.
Eine zusätzliche dramatische Verschlechterung der Lebenssituation bringt die Niederlage im Ersten Weltkrieg mit sich. Als Sündenbock wird die jüdische Bevölkerung für die verheerende Situation verantwortlich gemacht. Zu spüren bekommen das vor allem wirtschaftliche Aufsteiger der Zeit, wie etwa Victor Schwarz. Gemeinsam mit seinen Brüdern und der Familie Bauer gründet er 1908 das Warenhaus „Bauer und Schwarz“. Dort, wo sich heute das Kaufhaus Tyrol befindet, versorgen sie die Tiroler Bevölkerung mit einem noch nie dagewesenen Warensortiment und schaffen dadurch zahlreiche Arbeitsplätze. Unmittelbar nach dem „Anschluss“ 1938 werden die Familien enteignet und aus Tirol vertrieben.
Sprachlos machten uns die vielen Menschengeschichten, die den NS-Völkermord am Friedhof bezeugen. Wie etwa jene von Richard Graubart, den NS-Schergen in der Novemberpogromnacht kaltblütig ermorden. Oder jene Geschichte von Ilse Brüll, die als junges Mädchen vor den Nazis in die Niederlande flieht, dort aber nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht entdeckt wird. Sie wird in Auschwitz ermordet. Die Geschichte des Zwangsarbeiters Jakob Justmann, der Teil einer polnischen Widerstandsgruppe war, macht darauf aufmerksam, dass auch bei uns gemordet wurde. Er wird im Arbeitserziehungslager Reichenau hier in Innsbruck hingerichtet.
Mut machte uns die Geschichte seiner Tochter Leokadia. Sie soll Anfang 1945 nach Auschwitz deportiert werden. Bedienstete des Polizeigefängnisses in Innsbruck ermöglichen ihr aber die Flucht. (Christian Mathies, 27. Februar 2019)
Klick aufs Bild! (Bilder: matc)
Bild 1 (im Text): Hahn, J. (2009) Grabmal von Wilhelm Dannhauser. Verfügbar unter: http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20213/Innsbruck%20Friedhof%2009217.jpg
Bild 2 (im Text): Hahn, J. (2009) Grabstein für Jakob Justmann. Verfügbar unter: http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2041/Innsbruck%20Friedhof%20n105.jpg